Thema der Woche

Ausgabe Nr. 14 · 3. April 2002



Spielerisch sprachsicher werden: Erzieherin Julia Fischer beim Wörterpuzzle mit (v.l.) Loreena, Steffen, Leo und Janina. (Foto: Rothe)

Schon vor "PISA" viel für Bildung getan

In Heidelberg erhalten Mädchen und Jungen vom Kindergarten bis zum Schulabschluss Hilfe, Förderung, Betreuung und Beratung


Am 12. März fand eine Sitzung des Jugendhilfeausschusses statt, die ganz im Zeichen der PISA-Studie stand. Die Mitglieder des Ausschusses und die nicht wenigen Zuhörer konnten erfahren, dass in Heidelberg schon vor PISA viel für Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen getan wurde.

Oberbürgermeisterin Beate Weber ließ es sich nicht nehmen, diese Sitzung persönlich zu leiten. In ihrer Einführung ging sie auf die Ergebnisse der PISA-Studie und andere aktuelle Untersuchungen ein, die dem Bildungssystem in Deutschland schlechte Noten ausstellten: In Deutschland sei die Arbeitslosenquote zu hoch, die Vorbereitung auf den Beruf schlecht, die öffentlichen Ausgaben für Ausbildung und Erziehung wesentlich geringer als in vergleichbaren Ländern. Die Lerndefizite der Jugendlichen heute beeinflussten Wirtschaft und Verwaltung in den nächsten 10 bis 50 Jahren negativ, die Universitätsabschlüsse seien unterdurchschnittlich, für die Ausbildung der Hauptschullehrer werde vier Mal weniger als für die der Gymnasiallehrer ausgegeben.
 

"Wir sollten kein Geld für die Olympiabewerbung 2012 ausgeben,
sondern diese Mittel für eine Bildungsoffensive einsetzen."

Oberbürgermeisterin Beate Weber

 
"Wir müssen etwas tun und wir hatten in Heidelberg, schon vor Veröffentlichung der PISA-Studie, Konsequenzen gezogen", sagte die Oberbürgermeisterin. Energisch setzte sie sich für mehr Investitionen in Bildung und Erziehung ein: "Wir sollten kein Geld für die Olympiabewerbung 2012 ausgeben, sondern diese Mittel für eine Bildungsoffensive einsetzen. Es ist viel sinnvoller, im Jahr 2012 gut ausgebildete Kinder und Jugendliche zu haben." Über sieben Millionen Euro werden allein für die Bewerbung Stuttgarts als Olympiastadt ausgegeben. Vier weitere Städte konkurrieren mit der Landeshauptstadt in der nationalen Ausscheidung, mit einem ähnlich hohen Werbeetat.

Schon seit geraumer Zeit wird in Heidelberg einiges getan, um die Chancen der Kinder und Jugendlichen auf einen guten Start ins (Berufs-)Leben zu verbessern. Das Förderprogramm beginnt in den Kindertagesstätten und bis ins Berufsvorbereitende Jahr nach dem Hauptschulabschluss erhalten die Jugendlichen Unterstützung und Beratung. Im Folgenden in Kürze die einzelnen Elemente der Förderung. (neu)
   

 

Bereits in der Kita spielerisch sprachsicher werden

Die Kita Kanzleigasse hat einen großzügig ausgebauten Dachboden mit Parkett. Auf dem sitzen Leo, Steffen, Loreena und Janina mit der Erzieherin Julia Fischer und spielen "Wörterpuzzle" (siehe Foto oben). Die Kinder müssen sich zusammengesetzte Wörter ausdenken: Leo nennt das Schokomüsli, Loreena die Wassersäule, Steffen das Fensterbrett und Janina das Puppenkleid.

Das Wörterpuzzle ist Bestandteil des "Würzburger Trainingprogramms", das seit Jahresbeginn in allen städtischen Kindertagesstätten durchgeführt wird. Täglich etwa 10 Minuten üben die fünf und sechs Jahre alten Kinder mit Worten, Begriffen und Buchstaben, damit ihnen der Erwerb der Schriftsprache in der Grundschule leichter fällt. "Die Kinder sind begeistert", berichtet die Leiterin der Kita Kanzleigasse, Ursula Walser.

Rund 20 Wochen vor Schuleintritt beginnt das Training, das in Kleingruppen mit vier bis fünf Kindern stattfindet. Nach 10 Wochen ändert sich die Zusammensetzung. Diejenigen Kinder, die sprachlich noch nicht so weit sind, werden in eigenen Gruppen zusammengezogen, um sie intensiver fördern zu können. Insgesamt werden in den städtischen Kindertagesstätten 340 Jungen und Mädchen in 66 Kleingruppen gezielt gefördert.

Wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Erfahrungen in den Schulen weisen darauf hin, dass Kinder von gezielten Förderprogrammen im Vorschulbereich später beim Lesen und Schreibenlernen in der Schule profitieren können. Das wollen Professorin Dr. Jeanette Roos und Professor Dr. Hermann Schöler von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg überprüfen, weshalb sie das Sprachförderprojekt in den städtischen Kindertagesstätten wissenschaftlich begleiten. Bis zum Jahr 2006 sollen die Untersuchungsergebnisse vorliegen.
   
 

Modellprojekt "Sozialarbeit an Haupt- und Förderschulen"

  Im Oktober 2001 hat der Gemeinderat das Modellprojekt "Jugendsozialarbeit/Schulsozialarbeit an Heidelberger Haupt- und Förderschulen" beschlossen. Es wird in diesem Jahr im April beginnen und bis 2004 dauern.

Das Projekt zielt vor allem darauf, junge Menschen mit sozialer Benachteiligung zu unterstützen. Schwerpunkte an allen Schulen sind Maßnahmen und Angebote zur Verbesserung der schulischen Leistungsbereitschaft und des Leistungsvermögens, zur Stärkung der Klassengemeinschaft und der sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler und die Zusammenarbeit mit Eltern, um sie in der Erziehungsverantwortung zu stärken. Die Sozialarbeit an den insgesamt elf Schulen übernehmen Partner, die im Bereich der Erziehungshilfe über ausgeprägte Erfahrungen verfügen. So wird beispielsweise das Friedrichstift Leimen die Waldparkschule und die Internationale Gesamtschule oder das Luise-Scheppler-Heim die Wilckensschule und die Heiligenbergschule betreuen.

Das Modellprojekt hat sein Vorbild in der Schulsozialarbeit an der Grundschule Emmertsgrund. Seit dem Schuljahr 1997/98 erhalten dort Schülerinnen und Schüler Betreuung und vielfache Förderung durch die Sozialarbeiter von päd-aktiv: In der großen Pause werden Spielaktionen angeboten, es gibt ein regelmäßiges Sozialtraining zur Konfliktlösung und zum Erlernen von Sozialkompetenz, Hausaufgabenhilfe, Gruppenarbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und Einzelfallhilfe.

Wissenschaftlich begleitet wird das Modellprojekt an den Haupt- und Förderschulen von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Heidelberg. Im Rahmen einer Promotionsarbeit sollen die Ergebnisse Ende 2004 ausgewertet werden.
   
 

Deutschkurs im Kindergarten

  Seit drei Jahren lernen Kinder in städtischen Kindertagesstätten Deutsch. Derzeit führen Teilzeitkräfte in der Kindertagesstätte Rohrbach, Breisacher Weg, und Emmertsgrundpassage 36-38 Sprachförderung für Vorschulkinder durch. Ziel der Sprachförderung ist es unter anderem, die Lebenschancen der Kinder zu verbessern, ihnen die umfassende Teilhabe am Leben in der Kita, an der Mitgestaltung der Umwelt und des Gemeinwesens zu ermöglichen und ihnen die Chance für eine erfolgreiche Schullaufbahn zu geben. Die Deutschkurse sollen in Zukunft auf weitere Kindertagesstätten ausgedehnt werden.
   
 

Betreuung der Grundschüler

  Seit Schulbeginn im September 2000 gibt es in Heidelberg an den Grundschulen Betreuungsangebote, die über die "Verlässliche Grundschule" hinaus gehen. Während das Land (beziehungsweise die jeweilige Schule) zwischen 8.30 Uhr und 12 Uhr eine dauernde Betreuung der Kinder garantiert, hatte der Gemeinderat einem erweiterten Betreuungsangebot zugestimmt, das die Stadtverwaltung ausgearbeitet hatte. Danach ist es möglich, sein Kind bis 15 Uhr an der jeweiligen Schule betreuen zu lassen.

Die Kinder werden von pädagogischen Fachkräften im Schulalltag begleitet, die ein offenes Ohr für Fragen sowie kleine und größere Probleme haben. Außerdem kann man Mittagessen bestellen. Schließlich wird auch Hausaufgabenbetreuung angeboten. Die Beiträge der Eltern richten sich nach dem Einkommen und der Dauer der Betreuung.
   
 

Berufshilfe für Hauptschüler

  Insbesondere leistungsschwächere Hauptschülerinnen und -schüler brauchen Beratung. Um sie kümmern sich in Heidelberg seit Mitte des Jahres 2000 der Jugendberufshelfer und die Mitarbeiterinnen der Beratungsagentur Jobfit. Während der Jugendberufshelfer in städtischen Diensten, Roland Stinicka, Hauptschülerinnen und Hauptschüler ab der achten Klasse bei der Berufsfindung berät, betreuen Mitarbeiterinnen von Jobfit Hauptschulabgänger, die ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren. Finanziert wird die Arbeit von der Stadt Heidelberg, dem Arbeitsamt und mit Fördermitteln des Landes und der EU.

Ergänzt wird die Arbeit des Jugendberufshelfers und von Jobfit durch das bfw Heidelberg, das nicht vermittelte Jugendliche berät, und das Mädchenhaus Heidelberg. Deren Mitarbeiterinnen sind in Haupt- und Förderschulen unterwegs, um dort geschlechtsspezifische Nachteile durch geeignete Angebote, wie beispielweise Computerkurse, zu reduzieren.

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Stand: 2. April 2002