Umwelt

Ausgabe Nr. 13 · 28. März 2001

 

Carmosinrother Kastanienapfel gesucht

Das Umweltamt bittet um Mithilfe bei der Suche nach alten Obstsorten


Die Stadt Heidelberg ist bemüht, Streuobstwiesen als ökologisch hochwertige Lebensräume auf ihrer Gemarkung zu erhalten. Neben dem Mähen der Wiesen und dem notwendigen Beschneiden der Bäume wird auch die Verjüngung der oft überalterten Bestände angestrebt.

Die Nachpflanzung von alten, lokalen Obstsorten spielt dabei eine wesentliche Rolle. Für den Streuobstlehrgarten in Bad Schönborn, der die Lokal- und Regionalsorten Nordbadens aufnehmen und vermehren will, wird unter anderem noch eine besonders wertvolle, "verschollene" Apfelsorte gesucht: Der Carmosinrothe Kastanienapfel - hier ein Auszug aus einem alten "Steckbrief": "Ein großer, schöner rother, meist platter Winterapfel...Der Stiel ist sehr kurz, stark...Die Grundfarbe der etwas fettigen Schale ist vom Baum hellgrün...die ganze Frucht von einem verwaschenen Carmosinroth überzogen ist, so dass nur Spuren der Grundfarbe durchblicken...Die weißgelben Punkte sind weitläufig vertheilt...das Fleisch ist weiß...fein, fest und saftig...Der Baum ist sehr stark, bekommt eine ausgebreitete Krone...und ist sehr fruchtbar. Wir haben diesen schönen Wirtschaftsapfel bis jetzt nur in dem Dorfe Kirchheim bei Heidelberg beobachtet...Dieser Apfel gehört ziemlich noch zum ersten Rang und ist für den Landmann von besonderem Werth..."

Sollte jemand etwas über den Verbleib dieser Apfelsorte oder anderer seltener Obstsorten wissen, würde sich das Umweltamt über eine Zuschrift oder einen Anruf freuen. Für die Meldung des Carmosinrothen Kastanienapfels oder einer anderen seltenen Obstsorte erhalten Anrufer/innen vom Amt für Umweltschutz, Energie und Gesundheitsförderung einen Obstbaum oder ein anderes heimisches Gehölz (Kornmarkt 1, 69117 Heidelberg, Telefon 58-1817).

Vom Menschen geschaffene Lebensräume
"Verstreut" in der Flur stehende, hochstämmige Obstbäume gehören seit Jahrhunderten zum typischen Bild unserer Kulturlandschaft. Zunächst wurden Obstbäume vor allem in Klostergärten sowie in der unmittelbaren Umgebung von Gehöften und Siedlungen angepflanzt. Ab dem 15. Jahrhundert begann sich der Obstbau dann mehr in die freie Landschaft auszudehnen. Auch Straßen- und Wegränder wurden mit hochstämmigen Apfel-, Birn-, Kirsch-, Pflaumen-, Zwetschgen- und Nussbäumen bepflanzt. Im 19. Jahrhundert erreichte der Streuobstbau seine größte Ausdehnung. Viele Menschen versorgten sich aus den Beständen mit Frischobst. Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung ging das Interesse am Selbstversorgerobstbau stark zurück, "Mosten" und "Einmachen" kamen aus der Mode. Die zunehmende Nutzung von Streuobstflächen als Bauland, der Ausbau von Straßen und die Flurbereinigung sorgten dafür, dass immer mehr Streuobstwiesen in den vergangenen Jahrzehnten verschwanden. Wachsendes Umweltbewusstsein und die Nachfrage nach ungespritztem, sortenreichem Obst haben in der jüngsten Vergangenheit zum Erhalt von Streuobstwiesen und den Schutz alter Obstsorten beigetragen.

Ein Paradies für Tiere...
Streuobstwiesen stellen für zahlreiche gefährdete Tiere und Pflanzen oft die letzten Rückzugsgebiete dar. Die alten, knorrigen Bäume mit ihren Rissen oder Baumhöhlen sind für viele höhlenbrütende Vogelarten wie Steinkauz, Wiedehopf, Wendehals und Neuntöter sowie den vom Aussterben bedrohte Gartenammer bevorzugte Brutstandorte. Die Blüten der Obstbäume sind eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Auch Igel, Iltis, Wiesel, Siebenschläfer und Fledermäuse fühlen sich auf Streuobstwiesen zuhause.

...und Menschen
Für die Erholung des Menschen sind Naturräume, wie die vom Streuobstbau geprägten Landschaften, von unschätzbarem Wert. Ein Spaziergang durch Gärten der Bergstraße gehört zu den eindruckvollsten Naturerlebnissen im Heidelberger Raum.

Die Mischung macht's
Die Qualität einer Streuobstwiese hängt auch von der Sortenvielfalt der Bäume ab. Sie stellt ein Reservoir an vielseitigen Erbanlagen dar, wie es in dem auf wenige marktgängige Sorten spezialisierten Intensivobstbau nicht mehr besteht. Die alten und mitunter nur lokal verbreiteten Obstsorten besitzen oft Eigenschaften, welche neue Züchtungen nicht haben: Widerstandskraft gegen Krankheiten und besondere Anpassungsfähigkeit an Klima und Boden. Ihr Erhalt ist daher besonders wichtig.

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Umweltamtsleiter Dr. Eckart Würzner (hinten links) sowie Lehrer und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule bei der Präsentation der Dauerübertragung aus dem Nest der Wanderfalken. (Foto: Rothe)

Die Wanderfalken sind wieder da

Die rasant jagenden Greifvögel leben im Turm der Heiliggeistkirche


56 Meter hoch, im Turmhelm der Heiliggeistkirche, brütet nun schon zum zweiten Mal ein Wanderfalkenpaar. Den Nistkasten haben Schüler/innen und Lehrer der Geschwister-Scholl-Schule vor zwei Jahren angebracht.

Seit diesem Frühjahr werden, fast wie im Privatfernsehen, die beiden Falken kameraüberwacht. Ein Monitor im Rathausfoyer gibt Einblick in das Privatleben der beiden Greifvögel, die zurzeit vier Eier ausbrüten. Aurora und Fritz, so haben sie die Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule genannt, hatten schon im vergangenen Jahr Nachwuchs groß gezogen.

Wanderfalken waren bis in die jüngste Vergangenheit äußerst selten. Ihre Niststätten wurden Tag und Nacht von Tierschützern überwacht, um den Eierklau zu verhindern: Wegen ihres rasanten Jagdverhaltens waren die Greifvögel bei Falknern sehr beliebt. Die letzte erfolgreiche Brut vor der Wiederansiedlung war 1953 an der Schlossruine.

Nachdem sich der Wanderfalkenbestand in den vergangenen Jahren deutlich erholt hatte, wurden auch in Heidelberg wieder Wanderfalken beobachtet. Sie nutzten Kirchtürme der Altstadt als Schlafplatz und Warte (Ansitz). In einem gemeinsamen Projekt der "Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz", der Geschwister-Scholl-Schule in Kirchheim, der Pfarrgemeinde Heiliggeistkirche und der Pflege Schönau als Eigentümerin der Kirche wurde deshalb im Februar 1999 für sie ein Nistkasten eingerichtet.

Bereits im Mai 1999 besetzte ein von der "AG Wanderfalkenschutz" beringtes Wanderfalkenweib mit einem erwachsenen Männchen (Terzel) den Nistkasten. Seitdem betrachten beide das Stadtgebiet als Territorium. Sie ernähren sich von Vögeln, die sie im Sturzflug erbeuten. Dabei erreichen sie Geschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometern.

Wer nicht ins Rathaus kommen kann, um die Vögel am Monitor im Foyer zu beobachten, der kann dies auch im Internet über die Life-Kamera: www.ag-wanderfalken.de.

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Stand: 27. März 2001