Kultur

Ausgabe Nr. 7 · 13. Februar 2002

Laura Leghissa und Volkhard Guist tanzen die Hauptrollen im neuen Stück. (Foto: bianconero)


Irina Pauls

Wechselspiel zwischen Musik und Tanz

Zweite Tanz-Uraufführung in dieser Spielzeit am Theater der Stadt


Nach dem schrillen Tanzstück "wahnsinnsjung" steht nun eine ganz archaische Tanzproduktion auf dem Programm der Städtischen Bühne. "Sie lassen sich nicht beirren in ihrer Einsamkeit" erzählt die Geschichte von einem Mann und einer Frau, die nach ungestörter Zweisamkeit und nach einem Zuhause für ihre Liebe suchen. Wie aus dem Material "Filz" ein Tanzstück wurde, erzählt Tanzchefin Irina Pauls im STADTBLATT-Interview.

STADTBLATT: Was hat Sie bewogen, das Material Filz als Ausgangspunkt für Ihr neues Stück zu nehmen?

Irina Pauls: Filz ist ein wunderschönes Material. Durch Zufall hab' ich es in der Hand gehabt, es erfühlt und plötzlich hat mir das ganz viel erzählt. Das war sozusagen ein zündendes Moment. Andererseits wollte ich den Zuschauern in dieser Spielzeit zwei ganz unterschiedliche Stücke zeigen. Ich wollte von der Idee "Plaste" in "wahnsinnsjung" zu einer archaischen Ausdrucksweise kommen, die den Körper ganz anders ins Spiel bringt.

STADTBLATT: Wie ist daraus eine Geschichte, eine Choreographie geworden?

Pauls: Erst war nur das Material da und von allem das, was mir das Material erzählt: von Behausung, von Umhüllen, sich sozusagen eine eigene Landschaft schaffen, von Enge, aber auch von Isolation, von gedämmten Energien. Aus diesen Erfahrungen ist das Paar entstanden, diese beiden, die isoliert sein wollen und glauben, dass, wenn sie sich so einhüllen und nur noch zu zweit sind, dass ihnen im Leben nichts mehr passieren kann. Sie wollen sich zu zweit genügen. Aus dem Material ist die Geschichte über das Paar entstanden. Nämlich, dass so eine erzwungene Einsamkeit zu zweit nicht funktioniert. Weil jeder seine Gedankenwelt hat, jeder doch seine Erfahrungen mit einbringt, jeder schon eine Zeit lang gelebt hat. Thema ist, wie der Filz dann sozusagen wieder durchdrungen wird.

STADTBLATT: Welche Musik werden wir dazu hören?

Pauls: Die ist mit dem Stück zusammen entstanden. Wichtig ist, dass wir Live-Musik haben, dass wir einen Bratscher und einen Posaunisten auf der Bühne haben, dass wir den Stimmungen und Situationen entsprechende Stücke gewählt habe, die uns vom Barock direkt in die Moderne führen. Hindemith, Berio, Strawinsky, aber auch Bach als Grundidee. Dann haben wir die Musik entsprechend den Szenen z. B. in andere Dynamiken gesetzt. Aus einem festen Material, wie ich die Musikstücke bezeichnen möchte, hat sich ein ganz eigenes Gewebe entwickelt. Und das ist das Wechselspiel zwischen Musik und Tanz.

STADTBLATT: Das Bühnenbild und die Kostüme, alles besteht aus Filz?

Pauls: Die Kostüme des Paars nicht, weil die ja aus der Fremde kommen und sich erst die Filzlandschaft suchen. Nur diejenigen, die den beiden in dieser Landschaft begegnen, tragen Filzkostüme.

STADTBLATT: Bis auf "Jedermann" waren alle Stücke von Ihnen selbst entwickelt. Ist die Herausforderung bei vorhandenen Stoffen gering?

Pauls: Es ist natürlich viel einfacher, wenn man eine Vorlage hat, die in sich gut funktioniert. Ich liebe aber erstens die Herausforderung, zweitens existentielle Dinge, wo ich wirklich gefragt bin bis zum Schluss und zum anderen liebe ich die Abwechslung. Das schürt immer wieder die Phantasie, die Reibung mit sich selbst und den eigenen Stücken.

STADTBLATT: Woher kommen eigentlich die Ideen?


Pauls: Die laufen einem täglich zu. Da ich ja jedes Jahr zwei neue Stücke produziere, bin ich immer auf dem Weg und auch immer unter Spannung. Die Idee nimmt aber erst Gestalt an in Zusammenarbeit mit den Tänzern, mit dem Ensemble.

STADTBLATT: Der Arbeitstitel lautete "Filz". Jetzt hat das Stück den Titel "Sie lassen sich nicht beirren in ihrer Einsamkeit". Haben Sie keine Angst vor einem so sperrigen Titel?

Pauls: Nein, denn ich bin ein Verfechter der deutschen Sprache und ich versuche schon im Titel, den Charakter und die Ästhetik des Stückes mitzuteilen. Einsamkeit behaupten, um zusammen zu sein. Das ist besonders.

STADTBLATT: Gibt es ein Happy End in Ihrem neuen Tanzstück?

Pauls: Mal sehen ...

  Zum Seitenanfang



Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft "Kultur für Heidelberg" überreichen Oberbürgermeisterin Beate Weber ihre Anregungen für die städtische Kulturpolitik. (Foto: Rothe)

Kultur prägt das Profil der Stadt

Gedanken, Anregungen und Entwürfe bis 2010


Eine Arbeitsgruppe von engagierten Heidelberger Bürgerinnen und Bürgern überreichte Oberbürgermeisterin Beate Weber ein Papier mit Anregungen und Vorschlägen zur Gestaltung des Kulturangebotes der Stadt. Die Arbeitsgruppe verfasste das Papier "mit der Hoffnung, dass es eine Grundlage für zukünftige Entscheidungsprozesse in der Heidelberger Kulturpolitik sein kann".

Ist Heidelberg eine Kulturstadt? Hätte Heidelberg die Voraussetzungen, Kulturhauptstadt Europas zu werden? Wie kann sich Heidelberg als Festivalstadt profilieren? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Beteiligten in unterschiedlichen Arbeitsgruppen. Erklärtes Ziel ist es, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene das kulturelle Image der Stadt zu erweitern und zu etablieren und nicht allein auf die Romantik und das Schloss zu beschränken.

Das 41 Seiten umfassende Werk trägt den Titel "Kultur in Heidelberg" und ist "ohne Auftrag" aus dem freiwilligen Engagement von Künstlern, Veranstaltern und Sponsoren entstanden. Dr. Detlef Böckmann, Bernhard Fauser, Dr. Norbert Fritz, Karla Jauregui, Rainer Kern, Jakob Köllhofer, Dr. Luitgard Nipp-Stolzenburg, Thorsten Schmidt, Roger Ueltzhöffer, Regine Wolf-Hauschild und Ingrid Wolschin haben sich in Arbeitsgruppen regelmäßig getroffen und die Gesprächsergebnisse zusammengefasst. Was sie eint, ist die Arbeit am kulturellen Profil dieser Stadt.

Oberbürgermeisterin Beate Weber dankte Dr. Fritz und allen Beteiligten für die Anregungen: "Ich freue mich, dass ein Bündnis der Kultureinrichtungen möglich ist." Sie verwies auf die "unglaubliche kulturelle Vielfalt in der Stadt, in der die Jugend ebenso ihren Platz hat wie die etablierte Kultur". Dementsprechend umfangreich ist auch die Liste der Bereiche, für die Anregungen gegeben werden. Sie umfasst Tanz-, Sprech- und Musiktheater, Museen, Kunstvereine und Galerien, Literatur und Sprache, Kinder- und Jugendkultur, Kino, Soziokultur, Architektur, Stadtgärten und Parks bis hin zur Universität. "Wenn man Menschen von außen anziehen will, muss man zuerst nach innen ansprechend, das heißt attraktiv sein", so die Oberbürgermeisterin.

"Kultur in Heidelberg" will ein wichtiger Baustein für einen Kulturentwicklungsplan sein. Es gibt die Empfehlung einen Kulturrat zu bilden, dem Kulturpolitiker, Kulturmanager und Künstler angehören sollen. Oberbürgermeisterin Beate Weber wird das Papier dem Kulturausschuss und dem Gemeinderat vorlegen. (doh)

  Zum Seitenanfang
  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



Copyright © Stadt Heidelberg 1999, All Rights Reserved
Stand: 12. Februar 2002